Knockout 51 (Eisenach): Eine militante Kleingruppe in den Netzwerken von NPD, Jungsturm Erfurt und Kampf der Nibelungen

Vor einem guten Jahr erschien eine erste lange Recherche zu den jüngeren Eisenacher Nazistrukturen um den „Nationalen Aufbau“ und „Knockout 51“. Seitdem waren die aktionsorientierten Nazis um Leon Ringl und Kevin Noeske sehr aktiv: Sie rekrutierten Jugendliche, nahmen an allen größeren Corona-Demos teil und griffen dort Polizist*innen an, beteiligten sich am „Kampf der Nibelungen“ und organisierten sich in der Erfurter Neonazi-Hooligangruppe „Jungsturm“. Grund genug, das Augenmerk erneut auf „Knockout 51“, ihre Nachwuchsarbeit und ihre weit reichenden Netzwerke zu legen.

Ein Beitrag von ‚We are watching you 51‘

v.l.n.r.: Ann-Kristin Winkler, Eric Krempler, Leon Ringl, Maximilian Andreas, Bastian Adam bei einem rassistischen Aufmarsch der NPD am 25.7.2020 in Eisenach (Foto: Pixelarchiv)

Nach „Atomwaffendivision Deutschland“-Outing: Eisenacher konzentrieren Aktivitäten auf Knockout 51

Die letzte Veröffentlichung erfolgte wenige Monate nach der Enttarnung Leon Ringls als Aktivist der „Atomwaffen Division Deutschlands“. Ringl hatte in Internetforen Kontakt zu Mitgliedern der US-amerikanischen Terrorgruppe aufgebaut, die für mehrere Morde verantwortlich zeichnet. Er hatte außerdem mit seinen Fähigkeiten in Sachen Videoschnitt geworben. Kurz darauf erschienen erste Propagandavideos des deutschen Ablegers. Ringl selber zog aus den von Antifaschist:innen veröffentlichten Informationen die Konsequenz, die Gruppe Nationaler Aufbau aufzulösen, um Ermittlungen gegen die gesamte Gruppe vorzubeugen. Die Ermittlungsbehörden zeigten jedoch kein Interesse an Ringls Aktivitäten. Dass mit der formellen Auflösung ein einfacher Übergang aller Aktivitäten in die bereits bestehende Neonazi-Kampfsportgruppe Knockout 51 erfolgen würde, war kein Geheimnis.

Leon Ringl bestätigt am 15.11.2019, dass die Auflösung des Nationalen Aufbau reine Formsache ist (Screenshot kopiert von ALESA)

Knockout 51: Junge, rechte Männer auf der Suche nach Ruhm und Ehre

Selbstinszenierung von Knockout 51 vor ihrem Trainingsort, der NPD-Zentrale in Eisenach

Um zu einer präziseren Einschätzung zur gemeinhin als „rechte Kampfsportgruppe“ bezeichneten Knockout 51 (KO51) zu kommen, lohnt sich ein Blick auf die einzelnen Akteure. Seit dem letzten Outing der jungen Eisenacher Neonazis sind einige neue Gesichter hinzugekommen, während der Kern weitgehend gleichblieb. Die Führungspersonen sind weiterhin Kevin Noeske und Leon Ringl. Beide sind seit mindestens sechs bis zehn Jahren in der Eisenacher Naziszene aktiv, wobei ihre Rollen unterschiedlich verteilt sind.

Kevin Noeske ist der Vorzeige-Schläger der Eisenacher. Ohne seine zahlreichen brutalen Übergriffe in den Jahren vor 2019 hätte die Gruppe weder in der Öffentlichkeit den Ruf einer herausragenden Gefährlichkeit erlangt, noch würden sich Noeskes weniger schlagkräftige Kameraden derart offensiv mit dem Bild der Gewaltsuchenden schmücken. Noeske trat für die Gruppe beim Kampf der Nibelungen (KdN) 2020 an, wo er allerdings seinen Kampf verlor. Er beteiligte sich auch an Neonazi-Traingscamps von Führungskadern des KdN und der Jugendgruppe Junge Revolution in Südthüringen oder an internationalen Trainings des Blood and Honour – nahen Franzosen Tomasz Skatulski. Seit Noeskes Bewährungsstrafe 2019 und dem später erfolgten Umzug nach Erfurt-Nord treten die restlichen Mitglieder von KO51 im Alltag merklich zurückhaltender auf. Hinzukommt, dass Noeskes mehrfacher Mittäter Florian Fischer aufgrund interner Streitigkeiten schon länger aus diesen Zusammenhängen ausgeschlossen wurde. Kevin Noeske gehörte bis zur Anklage einiger Führungsmitglitglieder wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung im Jahr 2020 zum internen Kreis der Erfurter Neonazi-Hooligans „Jungsturm Erfurt“.

Leon Ringl ist seit Jahren der Organisator der Gruppe. Er betreute die verschiedenen Internetauftritte, filmte und schnitt Videos, pflegte die lokalen Netzwerke mit der NPD, dem bundesweiten Antikapitalistischen Kollektiv (AKK) und mit internationalen Kontakten aus England (National Action) oder den USA. Ringl betreibt zudem in Eisenach die Kneipe Bull‘s Eye, die auch als Treffpunkt von KO51 dient. Er spielt symbolisch permanent mit Bildern von Militanz und rechtem Terror und trainiert seit Jahren Kampfsport. In der Öffentlichkeit agiert er jedoch eher verhalten. Ringl lebt mit der Neonazi-Aktivistin Ann-Kristin Winkler zusammen, mit der er ein Kind hat.

Selfie von Leon Ringl mit Stencil der Misanthropic Division

Maximilian Andreas aus Gerstungen ist langjähriger Begleiter von Ringl und Noeske, tut sich jedoch nicht eigenständig als Führungskader hervor. Andreas gehört zum engen Umfeld des „Jungsturm Erfurt“, fuhr mit Noeske zusammen zu Erfurter Auswärtsspielen oder begleitete mit den Erfurter Hooligans den Jungsturm-Führungskader Theo Weiland zu Kampfsportturnieren. Mit Noeske zusammen hat Andreas auch enge Kontakte in die militante Dortmunder Szene vom KdN und Die Rechte, speziell zu Hauptorganisator Alexander Deptolla und zu Tom Mattig. Anders als Ringl und Noeske stand Andreas nie im Mittelpunkt kritischer Öffentlichkeit und arbeitet nach abgeschlossener Ausbildung weiter fest angestellt in der Baubranche.

Maximilian Andreas (in schwarz) und Tom Mattig bei einer Wahlkampfkundgebung von Die Rechte am 1.8.2020 in Dortmund, rechter Bildrand: Alexander Deptolla (Bildrechte: David Peters)

Marc Bulling gehört seit Jahren fest zu KO51. Er beteiligt sich seit Langem an Trainings, fuhr mit Andreas und Ringl zum Schießtraining nach Tschechien und reiste im letzten Jahr mit KO51 zum Gerichtsprozess gegen den Saalfelder Neonazi und Jungsturm-Hooligan Felix Reck nach Rudolstadt. Bulling zeigt sich neben dem Kampfsport auch von Waffen fasziniert.

Kevin Noeske, Leon Ringl und Marc Bulling am 19.6.2020 in Rudolstadt (Bildrechte: Sören Kohlhuber)

Ann-Kristin Winkler, ursprünglich aus Ostfriesland, war bereits beim Nationalen Aufbau Eisenach aktiv und kann nun zu KO51 gezählt werden.Winkler war früher überregional in den Netzwerken Autonomer Nationalisten aktiv. Im Jahr 2020 beteiligte sie sich zusammen mit KO51 an Corona-Demos, Aufmärschen in Eisenach und fuhr zum KdN. Obwohl sich KO51 nach außen als Männerbund inszeniert und Winkler nicht an den Trainings teilnimmt, kann sie durch die sonstige Teilnahme am gemeinsamen Neonazi-Aktivismus mit zur Gruppe gezählt werden.

Ann-Kristin Winkler (l.) in Dortmund am 18.4.2018 (Bildrechte: Nutshell Fotografie)

Eric Krempler aus Mihla fällt schon seit Jahren als Mitglied von KO51 auf. Noch als Regelschüler sorgte er im Sommer 2019 für eine lokale Kontroverse, als er im Rahmen eines Schulstreichs seine Klasse hinter einem Banner mit dem Spruch „Trotz Verbot sind wir nicht tot“ versammelte, der an die Parole „Trotz Verbot nicht tot“ der verbotenen rechtsterroristischen Blood and Honour – Bewegung angelehnt ist. Krempler tat sich bislang nicht gerade durch kontinuierlichen rechten Aktivismus und Vernetzung hervor, trainiert jedoch schon lange mit KO51 Kampfsport und legt viel Wert darauf, als Mitglied der Gruppe wahrgenommen zu werden.

Leon Ringl (1.v.l.), Ulrike Eckern (rote Tasche), Eric Krempler (Bildmitte, in Adidas-Shorts), Bastian Adam (Trainingsjacke), Ann-Kristin Winkler (2.v.r.) und Tobias Wagner (1.v.r.; aus Gotha) in Berlin am 29.8.2020 (Bildrechte: Sören Kohlhuber)

Bastian Adam fiel schon vor vielen Jahren als Begleiter von Noeske bei ersten rechten Aktionen auf. Er tat sich jedoch erst im Laufe des Jahres 2020 als omnipräsentes Mitglied der Gruppe hervor. Adam beteiligte sich an einer Vielzahl von Aufmärschen und Corona-Demos und suchte wiederholt mit albernen Posen in Shirts von KO51 die Aufmerksamkeit von Fotograf*innen.
Nils Ackermann aus Eisenach ist auch erst im Laufe des vergangenen Jahres häufiger bei Naziaufmärschen und anderen Anlässen öffentlich in Erscheinung getreten. Dabei gab er sich auffällig viel Mühe, stets bis unter die Augen vermummt zu sein. Auch im Netz tritt er nicht unter Klarnamen auf. Seine Zugehörigkeit zu KO51 demonstriert er dennoch durch entsprechende Kleidung und Teilnahme an den Trainings in Eisenach.

Nils Ackermann (l.) und Sebastian Hoffmann beim Prozessauftakt gegen Felix Reck am 28.4.2020 in Rudolstadt

Nils Keltonik zählt eher randständig zu KO51, da er zwar intern deren Shirts trägt und mit der Gruppe Kampfsport trainiert, nach außen hin jedoch nicht als KO51-Aktivist auftritt. Keltonik ging mit Ackermann zusammen auf die Regelschule, wobei beide erst im Erwachsenenalter den Anschluss an die Naziszene fanden. Nils Keltonik ist in erster Linie dem Umfeld des Jungsturm Erfurt zuzurechnen, wo er unabhängig von Kevin Noeske und Maximilian Andreas Kontakte pflegt, auswärts mit den Neonazi-Hooligans auftritt oder als Unterstützung von Theo Weiland zu Kampfsportevents mitfährt. Auf Neonaziveranstaltungen fiel Keltonik mit der Ausnahme des Neonazi-Kampfsportturniers TIWAZ im Jahr 2019 bisher nicht auf.

Selfie von Nils Keltonik

Marvin Wolf fand bereits vor rund vier Jahren Anschluss an KO51. Sowohl im Netz als auch auf der Straße setzt der Schweißer sich seit Längerem entsprechend in Szene und war vor allem 2020 bei zahlreichen Naziaufmärschen und Corona-Demos als Teil der Gruppe dabei.

v.l.n.r. Bastian Adam, Christian Zentgraf, Marvin Wolf, Leon Ringl am 21.11.2020 im Leipziger Hauptbahnof (Bildrechte: Presseservice Rathenow)

Es gibt noch weitere Personen, die sich in Shirts von KO51 zeigen oder gelegentlich an Gruppenaktivitäten teilnehmen. Zu nennen wären hier etwa Justin Barthel, Jonas Gandt oder Kay Noeske. Auch der rechte Eisenacher Kneipenschläger und Dauer-Häftling Eric Römhild zeigte sich letztes Jahr im Shirt der Gruppe beim Kraftsport. Entsprechend des elitären Gestus sind die Shirts und Sweater der Gruppe nur ausgewählten Personen vorbehalten, wenngleich es deutliche Unterschiede in der Gruppenintegration gibt. Verbindendes Element sind vor allem die Nazi-Ideologie und die männliche Selbstinszenierung als furcht- und selbstlose Einzelkämpfer. Gerade der Männlichkeitskult ist unter jungen Männern anschlussfähig an heteronormative Geschlechterideale, wie sie im medialen und gesellschaftlichen Mainstream propagiert werden. Auf der Ebene von Bildern des einsamen Outlaws und Slogans der Ehre bewegt sich KO51 daher zum Teil im selben Spektrum wie andere in Eisenach präsente, männlich-dominante Jugendkulturen, dem HipHop und Graffiti. Der rebellische Faktor wird bei KO51 jedoch durch die Zugehörigkeit zur Naziszene und das klare Bekenntnis zur örtlichen NPD um Patrick Wieschke politisch definiert.

Politische Militanz statt Freizeitsport

Knockout 51 und Kameraden auf dem Weg zum Angriff auf Polizeiketten am Leipziger Stadtring: (v.l.n.r.) Bastian Adam, unbekannt, Kevin Noeske, Marvin Wolf, Sebastian Hoffmann (Rudolstadt), Christian Zentgraf (Hohenkirchen), Ronny Damerow (Erfurt), Leipzig 7.11.2020 (Bildrechte: Pixelarchiv)

Schon zu Zeiten des Nationalen Aufbaus und weiterer, kurzzeitig verwendeter Gruppennamen der jungen Eisenacher Nazis wurde mit dem Label KO51 und dem aufkommenden Kampfsport-Image in der Naziszene kokettiert. Es diente außerdem ab spätestens 2018 zur Vernetzung mit dem KdN, der in jenem Jahr in Sachen Besucherzahlen in Ostritz seinen Höhepunkt hatte. Trotz des Kampfsport-Bezugs betonten Ringl und Noeske als Führungspersonen an verschiedenen Stellen immer wieder, dass ihnen primär an einer politischen Organisierung gelegen wäre. Kevin Noeske nutzte dafür die Bühne seines Gerichtsprozesses Anfang 2019, in dem er die Einbindung in das bundesweite Netzwerk des Antikapitalistischen Kollektivs (AKK) herausstellte, um sich trotz der zahlreichen Anklagepunkte wegen brutaler Übergriffe und politischer Sachbeschädigungen als ideologischer Aktivist zu präsentieren. Leon Ringl hielt die Vernetzung im AKK längere Zeit aufrecht, wo er zusammen mit dem hessischen JN-Aktivisten Maximilian Reich und anderen JNlern und jüngeren Kameradschaftern eine erlebnisorientierte und parteiunabhängige Dachstruktur zu etablieren versuchte. Ziel war es, ein Label für militante Aktionen und Ausschreitungen auf Aufmärschen zu schaffen, das eine Einheit ausdrückt und gleichzeitig die erwartete Negativpresse von der NPD und anderen Parteistrukturen ablenkt. Das AKK löste sich allerdings aufgrund der Strafverfahren nach dem Krawall am 1. Mai 2017 in Apolda auf und der Nationale Aufbau Eisenach wurde im November 2019 aus Sorge vor Ermittlungen gegen die Atomwaffendivision Deutschland formell aufgelöst. Somit blieb für die Aktivitäten von Ringl, Noeske und Kameraden als bereits etablierte Struktur KO51 übrig. Damit lässt sich auch der Charakter der Gruppe definieren, die trotz der Selbstinszenierung als elitärer Kampfsportclub junger Männer und der häufigen Fremdbezeichnung als „Kampfsportgruppe“ mehr als das ist: KO51 konstituierte sich über die gemeinsame nationalsozialistische Ideologie, die vorher in den Netzwerken der autonomen Nationalisten ihre Organisierungsform fand. Das Aufkommen der Kampfsportmode, die Teil einer gesamtgesellschaftlichen Welle der neoliberalen, körperlichen Selbstoptimierung ist, lässt sich in der Naziszene bestens mit der Ideologie einer avantgardistischen Vorbereitung auf den Umsturz am „Tag X“ verbinden. Mithin passte die Konzentration der Eisenacher Aktivitäten auf KO51 bestens in den Zeitgeist. Innerhalb der Gruppe gibt es Unterschiede dabei, wie stark Einzelne in rechte Netzwerke eingebunden sind oder vornehmlich mittrainieren und damit in sozialen Medien angeben. An der politischen Strategie und Gewaltbereitschaft der Eisenacher hat sich trotz dieser Unterschiede, trotz wechselnder Gruppenlabels und vermehrter Instagram-Postings von Sport im Grünen nichts geändert: Es geht um militanten Straßenkampf und die fortwährende Einbindung in rechte Netzwerke mit deutlichen Bezügen zum Rechtsterrorismus.

Verhältnis zur NPD

v.l.n.r. Patrick Wieschke, Marco Zint und Leon Ringl am 21.11.2020 in Leipzig (Bildrechte: Pixel Roulette)

Wer die abfälligen Äußerungen von Ringl und Noeske zu JN und NPD kennt, dürfte sich wundern, dass KO51 seit über zwei Jahren im NPD-Zentrum „Flieder Volkshaus“ trainiert, dort an Konzerten teilnimmt und mit den NPD-Stadträten Patrick Wieschke und Karsten Höhn zusammen bundesweit zu Demonstrationen anreist. Als es im Januar 2021 eine erneute Aktion gegen Leon Ringls Kneipe „Bull‘s Eye“ gab, ließ Ringl statt seiner selbst Patrick Wieschke vor die Kamera des MDR treten. Folgt man den sonstigen Darstellungen der parteifernen Jungnazis, steht Wieschke symbolisch für den starren und verfilzten Parteiapparat NPD und ihre politisch wenig brauchbare Klientel aus sozial Abgehängten und Trinker:innen. So widersprüchlich, wie es zunächst erscheint, ist diese Beziehung KO51-NPD jedoch nicht – nicht nur weil Leon Ringl selber Kneipenwirt ist. Ringl formulierte das Verhältnis der parteiunabhängigen Kameradschaften zur NPD gegenüber überregionalen Kontakten wiederholt sehr klar: Die NPD solle Räume zur Verfügung stellen, Material finanzieren und Schulungsangebote für nicht-Mitglieder eröffnen. Die praktische Organisierung auf der Straße und in der Provinz würden dann er und seine Kameraden übernehmen. Die verbale Abgrenzung und das permanente Lästern über Aussehen und sozialen Hintergrund der Anhänger:innen von NPD oder Die Rechte sind dabei Teil der elitären Selbstinszenierung, die sich ideologisch zwischen neoliberal-männlichem Gestus und dem NS-Menschenbild von Über- und Untermenschen verorten lässt. Patrick Wieschke und der Eisenacher JN-Kader Amon Sode zeigen sich trotz der gegen sie persönlich gerichteten Diffamierungen als „Trinker“ oder „Assis“ unbeeindruckt und setzen die strategische Zusammenarbeit mit KO51 fort. Denn Ringl, Andreas und Noeske bringen nicht nur junge Menschen mit zum Training und zu Konzerten ins Flieder Volkshaus, sondern stellen auf lokalen NPD-Aufmärschen seit Jahren zuverlässig erste Reihen mit Großtransparenten und hipper Außenwahrnehmung.

Corona-Demos 2020

oben und rechts unten: Leon Ringl, Yves Amert und Kevin Noeske am 29.8.2020 in Berlin, unten links: Bastian Adam am 21.11.2020 in Leipzig (Bildrechte: Sören Kohlhuber, Pixelarchiv)

Besonders aktiv zeigte sich die Eisenacher Szene im Verlauf des Jahres 2020 mit ihrer Teilnahme an allen großen Corona-Demos. Die Anreise erfolgte stets in gemeinsamen Gruppen aus NPD, KO51 und dem jeweiligen Umfeld. Während Patrick Wieschke seine Reichweite in den sozialen Medien für reißerische Erlebnisberichte nutzte, sorgte KO51 mit wohldosierten Provokationen für die entsprechenden Bilder. Am 29.8.2020 in Berlin griff der Gothaer Jungnazi Yves Amert (JN, Nationale Jugend Gotha) aus der KO51-Gruppe heraus eine BFE-Einheit an (Video) und später ließen sich Gruppenmitglieder von der Polizei vor der russischen Botschaft wegtragen. Am 7.11.2020 in Leipzig lief KO51 an der Spitze eines Mobs aus vermummten Neonazis und Hooligans, als zum Durchbruch vom Augustusplatz auf den Stadtring angesetzt wurde. Und bei der Anreise nach Leipzig am 21.11.2020 wurde aus dem Zug mit der Eisenacher Reisegruppe Pyrotechnik gezündet, woraufhin die Polizei nach Ankunft in Leipzig Personalienfeststellungen durchführte. Auf dem Rückweg stieg die Gruppe in Naumburg aus, um durch die menschenleere Stadt noch eine Spontandemo abzuhalten. Die allerorts ohnehin zaghaften Polizeimaßnahmen wurden dann jeweils im eigenen Sinne medial inszeniert: Wieschke malte im Duktus der Querdenker:innen das Bild eines vermeintlich widerständigen Volks gegen „das Regime“, während KO51 sich als furchtlose und geschundene Einzelkämpfer*innen in Szene setzten. Interessant waren neben diesen erwartbaren Szenarien in Leipzig die mitreisenden Kader anderer militanter Nazistrukturen: Am 7.11. begleitete die Eisenacher mal wieder der aus Niedersachsen nach Erfurt verzogene Ronny Damerow. Damerow ist dem Kollektiv56 in Erfurt zuzurechnen, auf dessen Konto zahlreiche brutale Übergriffe gehen. Er ist jedoch auch bundesweit sehr gut in Parteispektren und Kameradschaften vernetzt (mehr Infos zu seiner Person hier). Am 21.11. reisten die Eisenacher mit dem Gothaer Nazikader Marco Zint an, der zur bewaffneten Bruderschaft Turonen-Garde20 gehört, gegen die Anfang März wegen Mafia-Geschäften mit Verhaftungen und Beschlagnahmungen vorgegangen wurde.

Kampf der Nibelungen

v.l.n.r. Maximilian Andreas, Bastian Adam, Nils Ackermann, André Fuhr und Kevin Noeske (verpixelt) beim Kampf der Nibelungen 2020 in den Räumen von Barbaria Schmölln (Bildrechte: Exif)

Die seit Jahren aufgebaute Vernetzung von KO51 mit dem KdN fand 2020 ihren bisherigen Höhepunkt, als Kevin Noeske gegen André Fuhr aus Dortmund antrat und dabei von seiner ganzen Gruppe begleitet wurde (mehr Infos bei Exif). Noeske ließ sich im Videostream anonymisieren, eventuell wegen seiner noch geltenden Bewährungsauflagen. Seine Eisenacher Begleiter legten hingegen Wert darauf, in Einheitskleidung wahrgenommen zu werden. Im Video sind Maximilian Andreas und Bastian Adam unvermummt zu sehen, genauso wie Ann-Kristin Winkler und Leon Ringl, der den Kampf filmte. Nur Nils Ackermann trug wie immer seinen Schlauchschal bis über die Nase. Mindestens ein weiterer Vermummter mit KO51-Pullover war noch zu sehen. Gerade Noeske und Andreas haben eine enge Verbindung zu den Dortmunder Neonazis um den KdN und Die Rechte, speziell zu Alexander Deptolla und Tom Mattig. Noeske beteiligte sich im Juli 2020 an einem kleinen Kampfsportcamp im thüringischen Stützerbach, zu dem neben Sanny Kujath und einigen jungen Nazis der Jungen Revolution auch KdN-Organisator Alexander Deptolla aus Dortmund und der mecklenburgische Neonazi-Kader und Kampfsportler David Mallow anreisten (mehr Infos beim AIB). Nur kurz darauf kam eine ganze Abordnung Dortmunder Neonazis am 25.7.2020 zu einem NPD-Aufmarsch nach Eisenach. Anlass war die angebliche Vergewaltigung einer jungen Frau durch einen Geflüchteten, die sich kurze Zeit nach dem Aufmarsch als frei erfunden entpuppte.

Dortmunder Nazikader um Tom Mattig (2.v.l.) und Pascal Ostholte (2.v.r.) am 25.7.2020 in Eisenach (Bildrechte: Pixelarchiv)

Und während eine Woche darauf ein Großteil der deutschen Naziszene zur ersten Corona-Großdemo nach Berlin fuhren, reisten Maximilian Andreas und Kevin Noeske am 1.8.2020 nach Dortmund und unterstützen dort ihre KdN-Kameraden bei einer Wahlkampfkundgebung von Die Rechte.

v.l.n.r. Maximilian Andreas, Kevin Noeske (Hintergrund) und Alexander Deptolla am 1.8.2020 in Dortmund (Bildrechte: David Peters)

Noeske und Andreas sind auch in weiteren Netzwerken der militanten rechten Kampfsportszene aktiv, wie ihre Teilnahme an einem Trainingscamp des französischen Kaders Tomasz Szkatulski (Pride France) zeigt. Szkatulski ist nicht nur Teil des internationalen Netzwerks um den KdN, sondern bewegt sich auch im nahen Umfeld des rechtsterroristischen Netzwerks Blood and Honour.

§ 129: Eisenacher beim Jungsturm Erfurt

Nils Keltonik (ganz oben rechts), Kevin Noeske und Maximilian Andreas (Bildmitte, im Gespräch) mit dem Jungsturm Erfurt beim HFC Halle gegen FCC Jena am 2.2.2019; vorderste Reihe v.l.n.r: Benjamin Stoye, Eric Holzhey, Steve Weinhold, Roy Kummer, Robin Brand, Dennis Dragewski; 3. Reihe Marco Klingner (2.v.l.), Theo Weiland (3.v.l.) und Till Maschke (4.v.l.)

Bereits in der Recherche von Januar 2020 wurden Verbindungen von Kevin Noeske zu den Neonazi-Hooligans des Jungsturm Erfurt (JS) und deren Solidaritätsaktionen für den damals frisch inhaftierten militanten Saalfelder Neonazi Felix Reck thematisiert. Reck war infolge mehrerer brutaler Übergriffe auf politische Gegner:innen und Anhänger:innen des FCC Jena Ende Oktober 2019 festgenommen. Weil Reck bei seinen Übergriffen sein Handy mit einer Vielzahl von Gruppenchats bei sich trug und bei ihm zuhause auf unverschlüsselten Datenträgern Videos von Hooligan-Ackerkämpfen des JS gefunden wurden, begann die Saalfelder Kriminalpolizei mit umfangreichen Ermittlungen gegen die gesamte Gruppe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, § 129 StGB, und weiterer Straftaten. Neben den später vorm Landgericht Gera zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilten JS-Mitgliedern Marco Klingner, Steve Weinhold, Theo Weiland und Robin Brand, wurde auch Kevin Noeske von Beginn an als Beschuldigter in dem Verfahren geführt. Noeske gehörte zur internen Chatgruppe des JS, der „Kerni-Gruppe 2.0.“ und nahm an mehreren Treffen teil, zu denen den Ermittlungen zufolge nur Mitglieder und keine Sympathisanten eingeladen waren. Er trainierte mit dem JS im gruppeneigenen Trainingsraum in der Neonazi-Immobilie in Kirchheim und war an einem Gruppenanruf auf Felix Recks geheimem Knasthandy beteiligt. Aus Eisenach fuhr Noeske regelmäßig zusammen mit Maximilian Andreas und Nils Keltonik zu Heim- und Auswärtsspielen des RWE. Andreas kann als enges Umfeld der Gruppe gesehen werden, da er auch an privaten Treffen mit anderen JS-Mitgliedern teilnahm oder zur Unterstützung von Theo Weiland zu einem Kampfsportturnier nach Halle fuhr. Nils Keltonik ist zwar dem Kern des JS nicht so nah gewesen und hatte andere Bezugspersonen in der rechten Hooligan-Szene, fuhr aber seit Jahren zu den Spielen und bekannte sich in Shirts des „Fight Club Rot-Weiss Erfurt“ zu den Nazi-Hooligans. Er reiste außerdem auch 2019 zum von Neonazis organisierten Kampfsportturnier TIWAZ nach Zwickau, wo JS-Mitglied Robin Brand zum Kampf antrat.

Nils Keltonik (r.) beim TIWAZ 2019 in Zwickau (Bildrechte: Pixelarchiv)

Als Felix Reck im Sommer 2020 in Rudolstadt vor Gericht stand, zeigte die Neonazi-Szene deutliche Solidarität und Präsenz vor Gericht. Schon am ersten Verhandlungstag erschienen neben Jungsturm-Anhängern aus dem Landkreis und Turonen-Kadern wie Steffen Richter und Maximilian Warstat aus Eisenach Maximilian Andreas, Kevin Noeske und Nils Ackermann (mehr Infos beim AJUBS). An den folgenden Verhandlungstagen reiste KO51 gleich mit mehreren Autos an, um vor und im Gericht Präsenz zu zeigen. Dabei bildeten KO51 und JS-Mitglieder jeweils einen Pulk vor dem Gerichtseingang, aus dem heraus sie Antifaschist:innen bedrohten und bedrängten. Neben dem später verurteilten JS-Mitglied Robin Brand fiel schon hier dessen Freund Christian Zentgraf auf, der für den JS u.a. Spenden über PayPal gesammelt hatte (mehr Infos bei Exif). Zentgraf gehörte ein halbes Jahr später auch zur Eisenacher Reisegruppe auf der Leipziger Corona-Demo.

Jungsturm und Knockout 51 beim Reck-Prozess in Rudolstadt am 19.6.2020: v.l.n.r. Philipp Unger, Thomas Zimmermann, Robin Brand, Marc Bulling, Eric Holzhey, Nico Motzkus, Kay Noeske, Leon Ringl, Ronny Damerow, Kevin Noeske (Bildrechte: Sören Kohlhuber)

Brauner Melting Pot Eisenach

Eisenach mit seiner NPD-Zentrale und den jungen Militanten wird auf absehbare Zeit ein Knotenpunkt in bundesweiten neonazistischen Netzwerken bleiben. Nicht nur strahlen die Strukturen in die umliegende Region aus, wo aus Orten wie Vacha, Mihla oder Gerstungen Nachwuchs für die Szene rekrutiert wird. Mit Stanley Röske ist auch eine Führungsfigur des rechten Terrornetzwerks Combat 18 (lange Analyse bei Exif) inzwischen in Eisenach ansässig. Wie die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss dieses Jahr meldete, gesellte sich ins Publikum einer Stadtratssitzung, die Patrick Wieschkes NPD-Fraktion zusammen mit der AfD bis zum Abbruch sabotierte, neben Leon Ringl auch Nils Budig (Info bei Twitter). Budig ist erst vor Kurzem mit seinem Nazi-Versandhandel „Der Versand“ aus Ostfriesland nach Nordthüringen umgezogen (mehr Infos bei BnR). Budig ist nicht nur Mitglied der militant-rassistischen Hammerskins, sondern war auch Mitorganisator des KdN (mehr Infos bei Runter von der Matte). Zwar macht Stanley Röske bisher nicht den Eindruck, politisch in Eisenach Anschluss zu suchen und auch Budigs Auftauchen scheint bislang eher ein Besuch gewesen zu sein. Aber wie auch die Besuche militanter Dortmunder Neonazis in Eisenach verweist das in der Gesamtschau auf die Relevanz, die KO51 auch unabhängig von der NPD inzwischen innerhalb der bundesweiten Naziszene aufgebaut hat. Aktuell haben die Neonazis in der Stadt kaum Gegenwind, was neben dem kinderbedingten Kürzertreten von Leon Ringl und Kevin Noeske dazu beigetragen haben dürfte, dass die Zahl der Übergriffe merklich zurückgegangen ist. Das Gewaltpotential und die militanten Netzwerke, die innerhalb kurzer Zeit von den Eisenachern aktiviert werden können, erschöpfen sich jedoch nicht einmal in der Beschreibung, wie sie dieser mittellange Text zusammenfasst.

Nun sollen gerade die wenigen antifaschistischen Aktionen in Eisenach als Exempel für einen neuen Linksterrorismus herhalten und der Leipzigerin Lina dafür die Freiheit genommen werden, während Leon Ringl für seine Bestrebungen, einen deutschen Ableger der für mehrere Morde verantwortlichen Terrorgruppe Atomwaffendivision aufzubauen, nicht einmal eine Hausdurchsuchung hatte. Zumindest Antifaschist:innen bleiben hier wachsam. In diesem Sinne – We‘re watching you, 51.