Leinefelde: Redebeitrag zu Rechtsrockstrukturen in Südthüringen

Anfang September organisierten die Genossen der Association Progrès eine antifaschistische Demonstration gegen den „Eichsfeldtag“ der NPD. Folgend dokumentieren wir den Redebeitrag der Antifa Suhl/Zella-Mehlis.

Redebeitrag zu Rechtsrockstrukturen in Südthüringen – Antifa Suhl/Zella-Mehlis
Am vergangenen Wochenende sollte in Mattstedt bei Apolda der Rekord an Besuchern auf einem Nazifestival gebrochen werden. Im Jahr zuvor hatten die selben Organisatoren ein Festival mit 6.000 Teilnehmern im südthüringischen Themar auf die Beine gestellt. Doch aus den Plänen in diesem Jahr wurde für die Nazis nichts. Durch das, zugegeben sehr strategische Vorgehen der Behörden, konnte kurz vor knapp die Veranstaltung verhindert werden. Dennoch kamen einige Nazis auf ihre Kosten. In Kloster Veßra im Südthüringer Landkreis Hildburghausen konnte Tommy Frenck knapp 400 Neonazis eine Ersatzveranstaltung bieten. Hieran lässt sich gut ablesen, welche Infrastruktur die Nazis in Südthüringen bereits aufgebaut haben.
Seit 2015 besitzt Tommy Frenck nun schon das „Gasthaus – Goldener Löwe“ in dem kleinen Dorf unweit der Autobahn A71 in Richtung Bayern. Mit dem Erwerb der Immobilie begann das Dorf zu einem Schwerpunkt der lokalen und überregionalen Naziszene zu werden. Hier fanden Vorträge mit ehemaligen Wehrmachtssoldaten im Rahmen des sogenannten „Heldengedenkens“ statt, Kameradschaftsabende und eben Konzerte mit mehreren Bands. Während Frenck zu Beginn noch Mittel fehlten, um sich unabhängig von anderen Strukturen zu machen und trotz diverser Auflagen, mit denen die Behörden immer wieder an verschiedenen Punkten ansetzten, an denen Frenck nachbessern musste, hat er es geschafft, seine Strukturen aufzubauen und sich so selbstständig zu machen. Die Festivals in Themar und vor ein paar Jahren noch in Hildburghausen sind dabei nur die Spitze des Eisberges. Während die Presse und Politik mittlerweile die Festivals beobachten und unter Handlungszwang stehen, finden mindestens ein- bis zweimal im Monat Konzerte mit Neonazibands in Kloster Veßra statt. Meist ist das nicht mal mehr eine Randnotiz in der Presse wert. Doch diese Veranstaltungen sind mindestens genau so poblematsch, wie die Festivals an einigen Eckdaten im Jahr. Denn hier wird die Szene nachhaltig vor Ort gestärkt und ein gut kalkulierbarer Gewinn eingefahren, denn über schlecht besuchte Veranstaltung braucht sich Frenck in der Region nun wirklich keinen Kopf machen. Mit seinem Festzelt im Garten, den eigenen Dixie-Klos und Bierausschank läuft das Geschäft gut. Am Ende sind es diese Veranstaltungen, durch die die Um- und Personalkosten im Gasthaus gedeckt werden, nicht durch das tägliche Angebot an Schnitzeln, die erst aus der Tiefkühltruhe in die Fritteuse und dann auf den Teller für 8,88 € landen. 
In Kloster Veßra hat es Frenck, der mit einem gewissen Geschäftsverstand vorgeht, alles zusammen vereint. Ein Gasthaus, Rechtsrocklokalität deren Veranstaltungen das Versammlungsrecht abdeckt und einen Versand mit diversen Nazimerch. Festivals in Themar sind dabei nur zusätzlicher Gewinn für größere Investitionen und einige kleine Spenden zurück in die Szene. Sschließlich möchte man nicht unter den Kameraden den Vorwurf bekommen, „jüdisch“ zu handeln, wie einst Frencks Ex-Geschäftspartner und Ansgar Aryan-Leiter, Patrick Schröder. Vielmehr diente Themar immer auch als Machtprobe im Landkreis, der mit den Veranstaltungen im besten Fall nur überfordert war. Bei mehreren tausend Neonazis in der Region und nur schwer ernstzunehmenden Gegenprotest, können die Neonazis ihre Vorstellung der national befreiten Zone in Südthüringen an jenem Wochenende ungestört ausleben.
Doch es wäre nicht Südthüringen, wenn es nicht noch andere Orte der Naziszene gäbe, an denen es sich in Ruhe feiern und Geld verdienen ließe. In Kirchheim, zwischen Erfurt und Arnstadt, gibt es bereits seit über zehn Jahren die sogenannte „Erlebnisscheune“, oder wie es seit ein paar Jahren heißt: „Veranstaltungszentrum Erfurter Kreuz“. In dem Fachwerkhof sind, wenn nicht gerade Rechtsrockkonzerte, Parteitage oder Tagungen rechter Gruppen stattfinden, Touristen untergebracht, die dem Charme der landschaftlichen Ödnis des Thüringer Beckens, warum auch immer, erlegen sind. Während hier am Anfang noch konspirative Blood&Honour Konzerte stattfanden, welche immer mal von der Polizei aufgelöst worden sind, hat man mittlerweile den Kompromiss gewagt, die Veranstaltungen anzumelden. Die Auflage, dass nur 200 Besucher im Veranstaltungssaal erlaubt sind , nimmt man dabei in Kauf. Mittlerweile organisieren in Kirchheim NS-Hardcore Labels Konzerte, finden sogenannte „N-Rap“ Veranstaltungen u.a. mit Makks Damage statt oder organisieren die Garde 20/Turonen für sich Konzerte um die Anwaltskosten für sich selbst im Ballstädtverfahren zu decken. Mehrmals in unregelmäßigen Abständen fanden in Kirchheim Konzerte dieser Gruppe statt, bei denen Angeklagte im Ballstädtverfahren den Einlass übernahmen, Werbung betrieben und die Infrastruktur stellten. Mittlerweile ist bekannt, dass ein Teil der Gruppe nicht nur zum NSU-Unterstützer Umfeld gehört und über Jahre hinweg Solidaritätsarbeit für Ralf Wohlleben organisierte, sondern auch dass die Gruppe zum terroristischen Ableger von Blood&Honour, also Combat 18, gehört. In Kirchheim hat die Gruppe bei ihren Konzerten – wenn überhaupt – nur eine vorherige Ortsbegehung der Polizei zu ertragen oder ein paar Kontrollen am Ortseingang. Ansonsten lässt sich mit 200 Besuchern, mit Tickets für 25 €, also Einnahmen von rund 5000-6000 € pro Konzert, ganz gut leben. Neben Konzerten fanden in Kirchheim auch schon Landes- und Bundesparteitage der NPD und des Dritten 
Weges, eine Kampfsportveranstaltung letztgenannter Partei, JN-Europakongress und diverse Tagungen rechter Verlage statt. Erst letztes Wochenende gab es dort ein Treffen der „Gesellschaft freie Publizistik“, einer der größten antisemitsichen und geschichtsrevisionistischen Verlagsgruppen innerhalb der Naziszene. Schade für die Rechtsrocker aus Mattstedt, man hätte sicherlich gerne ersatzweise ein paar Bands und 200 Nazis in Kirchheim untergebracht, aber in Südthüringen ist so viel los, da kommen sich die Nazis schon selbst in die Quere.
An dieser Stelle sei nur noch erwähnt, dass in Sonneberg kurz vor der bayrischen Grenze, noch einen kleines Waldgasthaus steht in dem die Neonazis um die Band „Unbeliebte Jungs“ gerne zu Rechtsrockkonzerten einladen. Außerdem dass der Combat 18-Kader aus Suhl, Marcus Russwurm, gerne Lagerhallen oder Vereinshütten anmietet um dort Lunikoff-Konzerte zu veranstalten. Ebenfalls sind die Räumlichkeiten der Schlesischen Jugend in Marlishausen, gleich neben Kirchheim, zu erwähnen, wo sich nicht nur Nazigruppen treffen, sondern auch die Identitäre Bewegung Schulungen und Treffen veranstaltet.
All das passiert Woche für Woche, ohne das der  sogenannte „Aufstand der Anständigen folgt wie in Mattstedt. An Aufklärungsarbeit fehlt es nicht, denn Mobit und Antifa weisen seit Jahren auf diese Veranstaltungen und Lokalitäten hin. Jetzt ist es Zeit, den Druck fernab des Schaulaufens der Presse und Politik zu erhöhen, auf solche Veranstaltungen wie heute in Leinefelde aufmerksam zu machen, die Strukturen dahinter offenzulegen und anzugreifen. Dort wo der öffentliche Druck bereits besteht, gilt es in den Protest kritisch zu intervenieren und aufzuzeigen, dass es mit dem autoritärem Ruf nach Verboten von Versammlungen der rechten Szene nicht getan ist. Es gilt die Ursachen des Problems zu benennen und denen das Wasser abzugraben, die am Ende nicht mehr wollen, als eine Plattform fürs Herbeireden eines „buntes Deutschland“. Insbesondere hier sollten Antifaschistinnen nicht mit Kritik an Bürgerbündnis und Co. sparen und eine radikale Kritik der Gesellschaft da entgegen halten, wo antifaschistischer Protest zu inhaltslosem Karneval oder zur blinden Wut des Machens wird.
Denn wir sind heute nicht hier um die Nazis als ein auswärtiges Problem zu verstehen, das Leinefelde oder Themar usw. plötzlich heimsucht, sondern um zu zeigen in welcher Wohlfühlzone sie ihre Strukturen ausbauen und sie stärken. Es reicht uns nicht nur mit den Nazifestivals, sondern es reicht uns mit der stillschweigenden Akzeptanz in den Kleinstädten und Dörfern und mit dem Unwillen zu verstehen, dass letztendlich nicht das grundlegende Problem der Eichsfeldtag oder das Rock gegen Überfremdung in Mattstedt ist, sondern am Ende Leinefelde, Thüringen und Deutschland selbst.