Am 31. März räumten Bullen gewaltsam eine Sitzblockade aus 15 jungen Antifaschistinnen, die sich einer Thüriga-Demonstration in den Weg setzten. Dabei traten sie auf die Demonstrierenden ein und versprühten Pfefferspray, ohne diese vorher zur Räumung der Blockade aufzufordern. Die Staatsanwaltschaft Meiningen kam nun zu dem Schluss, dass das nicht rechtwiderig gewesen sei und stellte die Ermittlungen ein. Auch disziplinarrechtliche Folgen sind für die z.T. schon mehrfach gewaltsam in Erscheinung getretenen Cops nicht zu befürchten.
Für den 31 März 2017 war in Sonneberg eine Nazidemostration von Thügida angemeldet, zu der das zivilgesellschaftliche Bündnis „Sonneberg ist bunt“ zum Gegenprotest aufrief. Auch junge Antifaschisten folgten dem Aufruf und sahen sich bereits bei der ersten Zwischenkundgebung der Nazis mit der Brutalität der Cops konfrontiert. So wurde beispielsweise ein Gegendemonstrant von der Polizei zu Boden geworfen und in Gewahrsam genommen. Auf der Coburger Allee kam es im weiteren Verlauf der Nazidemo zu einer Sitzblockade von 15 Antifaschistinnen. Die Nazidemo musste daraufhin stoppen. Die angefahrenen Polizeieinheiten umstellten umgehend die Sitzblockade und gingen darauf hin direkt und ohne Vorwarnungen mit Schlägen und unter massiven Einsatz von Pfefferspray gegen die friedlichen Blockierenden vor. Nach dem drei Cops aus nichteinmal zwei Meter Abstand ihre Pfeffersprays ins Gesicht der Antifaschisten entleert hatten, wurden die vermutlich nichts mehr sehenden Antifaschistinnen gewaltsam von der Staße gezerrt – etwas, das ihnen später den Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte einbrachte.
Da die Fotodokumentation des Vorfalls die Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens der Bullen deutlich zeigt, wurde der Vorfall danach vielfach skandalisiert und kritisiert. Bei der berichteten Körperverletzung im Amt handelt es sich um ein Offizialdelikt, wodurch die Staatsanwaltschaft Meiningen auch ohne Anzeige gezwungen war, in der Sache zu ermitteln. Diese teilte nun mit, dass die Ermittlungen eingestellt wurden. Es kommt also nicht zu einem Verfahren gegen die Beamten, da laut Staatsanwaltschaft kein hinreichender Verdacht bestünde, dass diese rechtswiderig gehandelt hätten. Als Begründung dafür wurde vom Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber der TLZ unter anderem angegeben, dass die Blockade rechtwidrig gewesen sei und es darüber hinaus aus der Blockade heraus Versuche gab, Polizisten zu verletzen. Wie lächerlich diese Behauptung ist, zeigen nicht nur die Bilder vom Vorfall. Sie steht auch im Widerspruch mit der Auskunft, die die Sonnerberger Polizeidienststelle und weitere Demonstranten gegenüber der Nachrichtenseite Thüringen24 im März 2017 erteilte, demnach die Gegendemo und Sitzblockade in Sonneberg friedlich verlaufen seien. Fraglich ist obendrein, wie das zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer unangekündigten Räumung einer Sitzblockade unter massiver Gewaltanwednung beitragen könne.
Wie die TLZ am Mittwoch berichtete, gäbe es noch einen weiteren Grund dafür, dass die Ermittlungen eingestellt wurde, nämlich dass keiner der Gegendemonstranten sich bei den zuständigen Stellen über das Verhalten der Polizisten beschwerte oder Anzeige gegen sie erstattet habe*. Dass in den seltensten Fällen von Polizeigewalt Anzeige erstattet wird, hat dabei u.a. den Grund, dass die Anzeigeerstattet in Folge dessen, es zu wagen, die Integrität der deutsche Polizei in Frage zu stellen, meist selbst mit Repression überzogen werden. Indes bedarf es des entsprechenden Vertrauens in den Rechtsstaat, um diese Schritte zu gehen, welches nicht erst nach dem oben Geschilderten als naiv zu bezeichnen wäre. Die Ermittlungen mit der Begründung, es hätte keine Anzeige geben, einzustellen, ist also nicht nur vor dem Hintergrund absurd, dass es sich bei Körperverletzung im Amt um ein Offizaldelikt handelt, absurd ist auch die zugrunde gelegte zirkuläre Argumentation. Dass nämlich die deutsche Justiz Polizeigewalt zu deckeln und zu rechtfertigen weiß und gegen jene wenigen mit Repression vorgeht, die diese zur Anzeige zu bringen versuchen, wirkt vermittelt begründend für genau dieses Vorgehen.
Es ist vermutlich nicht nur für den Gruppenführer der Polizeieinheit das erste Mal, dass er ohne weiter Konsequenzen seine Agressionen gegen Linke im Amt ausagieren kann. Laut Berichten der TLZ soll dieser im März 2016 in Erfurt einen Demonstranten angegriffen haben. Im Juni 2015 habe er außerdem die Blockierenden eines Thügida-Aufmarsch angeschien, er würde die Nazis durchlassen, wenn sie nicht Platz machen würden. Auf die Frage eines Demonstranten, ob er denn selber ein Nazis sei, wurde der Demonstrant von mehreren Beamten zu boden gerungen und verletzt. Auch hier wurden – Überraschung! – die Ermittlungen eingestellt. Es stellen diese Vorfälle, die, wenn auch in Nebensätzen, ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden, gewiss nur einen Bruchteil der ‚Ausbrüche‘ des Gruppenführers dar, der sich in Sonneberg ja immerhin zusammenriss und im Gegensatz zu seinen Kollegen nicht zum Peffer griff, sich also erst beteiligte, als es darum ging, die Antifaschisten von der Staße zu zerren. Wie die offizielle Version dieses Vorfalls von Polizeigewalt nun, nachdem sich die Wogen geglättet haben, die Gegendemonstranten sich wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verantworten mussten und die Ermittlungen gegen die Cops eingestellt wurden, lautet, dürfte klar sein: ein weiters mal haben Polizeibeamte deeskalierend in Konfrontation mit gewaltbereiten Linken das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durchgesetzt.
* Dies scheint dem Inhalt eines Presseartikels der TA vom April 2017 (http://erfurt.thueringer-allgemeine.de/…/Pfefferspray-Einsa…) zu widersprechen, demnach an dem Tag mehrere Anzeigen gegen Polizisten eingegangen seien. Unklar bleibt allerings, ob es sich dabei um Betroffene oder Beobachter gehandelt haben soll.