In Hildburghausen wartete am 28. Februar ein Großaufgebot der Polizei auf, um zwei Gemeinschaftsunterkünfte für Asybewerber*innen zu durchsuchen. Die euphemistisch als Begehung bezeichnete Durchsuchung diente laut Medienberichten der „Risikoanalyse … zum Schutz vor Brand-Havariegefahren und potenziellen gewalttätigen Übergriffen“. Nicht nur scheint dafür das Polizeiaufgebot mit 20 Einsatzfahrzeugen reichlich übertrieben, der Flüchtlingrat Thüringen e.V. stellt auch die Legalität der Durchsuchung in Frage. Wir dokumentieren deren Pressemitteilung.
Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. kritisiert die Durchsuchung der zwei Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete vergangenen Donnerstag in Hildburghausen aufs Schärfste. Wie übereinstimmenden Presseberichten zu entnehmen ist, fuhr die Polizei mit 20 Einsatzwägen vor, um die Unterkünfte gemeinsam mit dem Amt für Migration zu durchsuchen. Die Durchsuchung wurde als gemeinsame Begehung betitelt, und diente laut Medienberichten der Überprüfung der Hausordnungen sowie der Risikoanalyse zum Schutz vor Brand-Havarie-Gefahren und potenziellen gewalttätigen Übergriffen innerhalb der Unterkünfte. „Wir fordern hier unverzügliche Aufklärung darüber, ob die Razzien vergangenen Donnerstag in Hildburghausen von richterlichen Durchsuchungsbeschlüssen gedeckt wurden und falls ja, mit welcher Begründung. Zumindest die Überprüfung von Hausordnungen und der Schutz vor Brand-Havarie-Gefahren stellen laut Thüringer Polizeiaufgabengesetz keine legitimen Eingriffsgrundlagen zur Durchsuchung von Wohnungen dar.“ so Nathanael Falk vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Denn auch für Zimmer in Flüchtlingsunterkünften gilt die grundrechtlich in Artikel 13 garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung. Deshalb muss es für die Durchsuchung von Zimmern in Sammelunterkünften auch richterliche Durchsuchungsbeschlüsse geben. Dies wurde erst vor zwei Wochen noch einmal vom Verwaltungsgericht Hamburg festgestellt[1]. „Wir begrüßen zwar, dass der Landkreis Hildburghausen Maßnahmen zum effektiven Gewaltschutz in Sammelunterkünften ergreifen will. Für polizeiliche Durchsuchungen mit 20 Einsatzwägen unter Beteiligung der Bereitschaftspolizei scheint dies aber lediglich ein fadenscheiniger Vorwand zu sein – sie werden die Bewohner*innen von Sammelunterkünften kaum nachhaltig vor Gewalt schützen.“, so Falk weiter.
Der durch Artikel 13 Grundgesetz bezweckte Schutz der Privatsphäre stellt ein hohes verfassungsrechtliches Gut dar. „Insbesondere für Geflüchtete, die teilweise in permanenter Angst vor Abschiebungen leben, kann eine polizeiliche Durchsuchung der Privaträume traumatisierende Auswirkungen haben und muss dementsprechend hohen rechtlichen Anforderungen genügen.“, so Falk abschließend.
Im Juni 2017 gab es eine ähnliche Durchsuchung in zwei Nordhäuser Gemeinschaftsunterkünften. Diese Durchsuchungen waren von einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss gedeckt, der jedoch aus Sicht des Flüchtlingsrat Thüringens erhebliche juristische Mängel aufwies, weshalb der Verein im vergangenen Dezember Strafanzeige gegen die Richterin erstattete, welche den Durchsuchungsbeschluss ausstellte[2].
[1] Siehe auch: https://justiz.hamburg.de/contentblob/12187644/688a96190f50660dbb9d467de190aeb1/data/endfassung-9-k-1669-18-urteil-00000084111940-anonymisiert.pdf
[2] https://www.fluechtlingsrat-thr.de/aktuelles/pressemitteilungen/fl%C3%BCchtlingsrat-erstattet-strafanzeige-gegen-richterin-wegen